E.E. Zunft zum Himmel

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Aus der Geschichte der Himmelzunft

 

 

Von Kurt Jenny

 

(unveränderter Nachdruck aus der Zunftschrift von 1982)

 

 

Am 6. Mai 1361 liessen sich die in den beiden Halbzünften „zum Goldenen Stern“ und „zum Himmel“ zusammengeschlossenen Scherer, Maler, Glaser, Sattler und Sporer von Bürgermeister und Rat der Stadt Basel ihren in der Erdbebenkatastrophe von 1356 untergegangenen Zunftbrief erneuern. Ein Blick auf die Geschichte derjenigen Basler Zunft, deren Zunftbrüder das Verdienst für die Entwicklung der Stadt Basel zu einer bedeutenden Kunststadt Europas weitgehend in Anspruch nehmen können, darf uns gewiss mit Stolz erfüllen. Heute noch bewundert und von nah und fern besucht sind die im Kunstmuseum ausgestellten Werke der Brüder Ambrosius und Hans Holbein (d.J.) sowie von Konrad Witz. Hell leuchten die kräftigen Malereien des Holbeinschülers Hans Bock am Basler Rathause, und fröhlich glitzern die Rathausfenster des Glasmalers Anthony Glaser. Unvergessen bleibt der auf die Gottesackermauern bei der Predigerkirche gemalte Totentanz.

 

Der „Himmel“ die Halbzunft der Maler und Sattler, und der „Goldene Stern“ die Halbzunft der Wundärzte und Scherer, bildeten durch die Jahrhunderte der Basler Zunftgeschichte hindurch eine politische Einheit. Noch im 19. Jahrhundert waren „Himmel“ und „Goldener Stern“ eine Wahlzunft. Heute sind beide Zünfte selbständige Organisationen, die sich jedoch der alten Zusammengehörigkeit wohl bewusst sind. So könnten wir nicht über die Malerzunft schreiben, ohne nicht auch die Geschichte des treuen Weggefährten des „Himmels“, des „ Goldenen Sterns“, zu berühren. Gustav Steiner hat in seinem ausgezeichneten Werk „Zunft zum goldenen Stern als Zunft der Wundärzte und Scherer“ (Basel 1955) auch ein Stück Geschichte der Himmelzunft geschrieben.

 

 

I.

 

Im Dunkeln liegen Entwicklung und Anerkennung unserer Zunft durch den Stadtherrn, den Bischof von Basel. Wir sind auf Vermutungen angewiesen, die uns zur Wurzel der Zunftbewegung überhaupt führen. Unsere Zunft ist nur ein Glied in der Kette der allgemeinen grossen Zunftbewegung, die – entstanden in Italien – sich im 12. und 13. Jahrhundert in den an Bedeutung gewinnenden Städten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation kraftvoll und siegreich entfalteten.

 

Im späten Römischen Reiche lassen sich in den Municipalstädten Handwerkervereinigungen, sogenannte Collegien, feststellen, deren Nachahmung nach der Meinung bedeutender älteren Rechtshistoriker wie z.B. Savignys unsere Zünfte bilden sollten. In Justinians Digesten, dem umfassenden Rechtsbuche aus der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts, sind als Prozess- und vermächtnisfähige Personengesamtheiten u.a. die „collegia pistorum, fabrorum, naviculariorum“ erwähnt, also Vereinigungen der Bäcker, Zimmer- und Schiffsleute (Dig. 3,4, I, pr.; 32, 93, 4. Zit. nach Kreuger). Es erübrigt sich indessen, die rechtliche Stellung dieser Collegien in ihren Städten zu untersuchen, da nach heute allgemein anerkannter Ansicht kein Zusammenhang zwischen den römischen Handwerkervereinigungen und den mittelalterlichen Zünften besteht (vgl. Wilhelm Stieda, Zur Entwicklung des deutschen Zunftwesens, S. 1 ff.). Die Erscheinung der Zünfte entspringt vielmehr den durch den Feudalismus geschaffenen Verhältnissen und ist interessanterweise auf die Handwerker der Städte beschränkt. Es gibt auf dem Lande keine Bauernzünfte. Der Wille zum Selbstbestimmungsrecht äussert sich dort direkt in der Erhaltung oder der Schaffung einer möglichst grossen Gemeindefreiheit. Die städtischen Handwerker wussten der durch die Feudalzustände an sie gerichteten, ihre Freiheit bedrohenden Herausforderung politisch und wirtschaftlich wirksam durch das Mittel der Zünfte zu begegnen.

 

Anfänglich im geheimen entstanden die Vorläufer der Zünfte; die Mitglieder dieser Handwerkervereinigungen verbanden sich durch gemeinsamen Eid: Sie waren Eidgenossenschaften und wurden als Eidbünde oder Schwurgenossenschaften (lat. coniurationes) gemeinhin als Zünfte bezeichnet. Das Wort „Zunft“ taucht sehr früh auf: Es fehlte in der offiziellen lateinischen Amtssprache eine genaue und eindeutige Bezeichnung dieser Art von Handwerkervereinigungen, und es wurde daher dem lateinischen Ausdruck für Personengemeinschaft meistens das deutsche „Zunft“ verdeutlichend beigefügt. So wird im Zunftbrief der Basler Kürschner das Handwerk eine „societas, quae in vulgari dicitur zhunft“ genannt: Eine Gesellschaft, die im Volksmunde „Zunft“ heisst.

 

Im 13. Jahrhundert haben in Basel die in Zünften organisierten Handwerke, deren Angehörige die Wehrfähigkeit besassen, bereits ihre Anerkennung als Körperschaften des öffentlichen Rechts, die gewisse öffentliche Aufgaben zu erfüllen hatten, durch den Bischof gefunden (vgl. den ältesten erhaltenen Zunftbrief der Kürschner aus dem Jahre 1226). Damit erlangte das Basler Handwerk, das die Handwerkspolizei und die Gerichtsbarkeit auf diesem Gebiete für sich beanspruchte sowie mit Erfolg den Zunftzwang durchsetzte, die im internationalen Handel erforderliche Konkurrenzfähigkeit und sicherte sich die Möglichkeit zu weiterem Aufstieg. Die der Stadt im Jahre 1264 von Bischof Heinrich von Neuenburg gegebene Handveste (Stadtverfassung), welche u.a. das Bestehen eines städtischen Rates sanktionierte, bestätigte ausdrücklich die „gesezzede, so man zunft nennet“. Dieses erste öffentliche Auftreten der Zünfte mag bescheiden erscheinen, wenn man es bloss im Hinblick auf die spätere Entwicklung ins Auge fasst. Aber von den Eidbünden bis zur Anerkennung als Zunft ist mindestens ein so grosser Schritt als von dieser zu politischen Gleichstellung mit den das Stadtregiment innehabenden Geschlechtern: Das Ziel der Zunftbewegung war die Erlangung der politischen und militärischen Macht im eigenen Gemeinwesen.

 

Diese Erkenntnis macht es verständlich, weshalb im Heiligen Römischen Reiche Zunftanfänge und Zünfte gefürchtet waren. In politischer wie in wirtschaftlicher Beziehung bedeuteten die Zünfte eine Bedrohung der herrschenden Kreise. So nur können die allgemeinen Zunftverbote aufgefasst werden, die in den ersten Dezennien des 13. Jahrhunderts ergangen sind. Kaiser Friedrich II. verordnete im Jahre 1219 auf dem Reichstage zu Goslar folgendes: „Praeterea datum est regali praecepto quod nulla sit coniuratio vel promissio vel societas, quae theutonice dicitur eyninge vel ghilde, nisi solum monetarium ea de causa ut caveant de falsis monetis.“ Nach kaiserlicher Vorschrift wurde somit die Bildung irgendeiner Art von Schwurgenossenschaften, Innungen oder Gilden untersagt mit Ausnahme derjenigen der Münzer, die im öffentlichen Interesse über die Falschmünzerei wachen sollten. Tatsächlich sind ganz allgemein die für das Gemeinwesen besonders wichtigen Münzer oder Hausgenossen die ältesten, offiziell anerkannten Handwerkervereinigungen. Da offenbar der kaiserliche Befehl missachtet wurde, wiederholte Friedrich II. im Jahre 1232 von Ravenna aus das allgemeine Zunftverbot und wandte sich dabei „contra omnia communia civitatum“, gegen jedwede Vereinigung innerhalb der Bürgerschaft. Mit dieser Hilfe von höchster Seite gelang es dem Bischof Heinrich von Worms im Jahre 1233, die in seiner Stadt bereits sehr mächtig gewordenen Zünfte aufzulösen. Die Münzer und Pelzhändler liess er jedoch als politisch machtlose Innungen weiter bestehen, um das wirtschaftliche Leben seiner Stadt nicht völlig zu zerstören. Selbst ein Zürcher Richtebrief aus der Mitte des 13. Jahrhunderts enthält noch ein Zunftverbot: „das niemand werben noch tuon sol anhein zunft, noch meisterschaft noch gesellschaft mit eiden mit worten noch mit wercken“.

 

Die Zünfte waren etwas Revolutionäres und Neues: In Basel erlangten sie jedoch dank besonders günstigen Umständen nach und nach einen vollen Sieg und damit die unbestrittene Herrschaft. Die Entwicklung und der Charakter der Basler Zünfte im 13. Jahrhundert sind besonders eingehend von Gustav Steiner im Basler Jahrbuch 1948 (S. 17 ff.) gewürdigt worden.

 

Ihren ersten Anteil am Stadtregiment erwarben die Basler Handwerker nicht durch den Eintritt in die oberste städtische Behörde, den Rat, sondern durch ihr Eindringen in das immer wichtiger werdende Schultheissengericht, wie Heusler in seiner „Verfassungsgeschichte der Stadt Basel im Mittelalter“ nachweist. Seit dem Jahre 1300 finden wir die Handwerker als Gerichtsbeisitzer, Schöffen, regelmässig im Gericht vertreten. Etwas später erlangten die Zünfte Einsitz in das für die Frage des Missbaues zuständige Baugericht, die „Fünfe über die Bauten“.

 

Als dann schliesslich Bischof und Burger (die eingesessenen Familien wurden „Cives“ oder „Burgenses“ genannt) bei den Zünften Hilfe gegen den österreichfreundlichen Teil der Ritterschaft suchten und fanden, konnte der Eintritt der Zünfte auch in den Rat nicht mehr aufgehalten werden. Wie gross das Vertrauen sogar des Bischofs in die Zünfte sein konnte, zeigt eine von Bischof Peter am 27. März 1305 erlassene Verordnung, welche allen Klerikern der Diözese in der Stadt Basel und deren Vorstädten infolge unerfreulicher Vorkommnisse das Waffentragen verbot und dem Bürgermeister und dem Oberstzunftmeister Gewalt gab, mit Hilfe von Männern, die sie selber wählen könnten, Geistliche, welche auf frischer Tat ertappt würden, zu ergreifen und gefangenzuhalten, bis der Bischof selber oder sein Stellvertreter sie beurteilen könnten. Bischoff Otto von Grandson bekämpfte im Jahre 1308 zusammen mit den Zünften die österreichfreundlichen Rittergeschlechter der Münch und Schaler. Verschiedentlich wurden die Zunftmeister bei wichtigen Geschäften zu Rate gezogen, so bei der Auflegung des Ungelds, einer Art Steuer von 1317, die zu Streit mit dem Domcapitel führte. Die Öffnung des Rates, vorerst für besondere, von den Zunftmeistern personell verschiedene Zunftratsherren, erfolge vielleicht schon, wenn auch nur temporär, unter Bischof Heinrich von Neuenburg. Durch die Handveste des Bischofs Johann Senn von Münsingen vom 21. Juni 1337 wird uns die Tatsache der Zunftvertretung im Rate eindeutig bezeugt. Im Jahre 1382 hielten auch die Zunftmeister ihren Einzug in die oberste städtische Behörde. Diese Ratsbesatzung blieb unverändert bis ins 16. Jahrhundert, da der städtische Rat ganz aus Vertretern der Zünfte bestellt wurde. So wurde Basel eine Zunftstadt und konnte Kraft und Freiheit behalten.

 

 

II.

 

Die Zunft der Scherer, Maler, Glaser, Sattler und Sporer, deren Angehörige ursprünglich wohl alle in der Gegend des Fisch- und des Kornmarktes gewohnt haben (Sattelgasse, Sporengasse) – die ersten beiden urkundlich bezeugten Zunftmeister, Johans der Glaser (1358) und Niclaus Göbel der Maler (1383), wohnten am Fischmarkt –, müssen schon eine längere Geschichte hinter sich gehabt haben, bis sie um die Mitte des 13. Jahrhunderts Ihre Anerkennung als Zunft durch Bischof und Rat erlangten. Über das Datum des die öffentlich-rechtliche Stellung der Zunft begründenden Zunftbriefes, der bekanntlich nicht auf uns gekommen ist, kann nichts Genaues gesagt werden. Laut der ältesten Ratsbesatzung vom Jahre 1357 nahm die Scherer- und Malerzunft in der durch die Jahrhunderte hindurch gleichbleibenden Reihenfolge der Zünfte den 13. Rang ein, was jedoch keinen Schluss auf den Zeitpunkt der Anerkennung als Zunft zulässt. Es darf wohl angenommen werden, dass die Angehörigen der auf den Zünften „zum Himmel“ und „zum Goldenen Stern“ betriebenen Handwerke schon vor dem Jahre 1260 ihr Zunftrecht erhalten haben. Bischof Berchthold begründete nämlich sein Entgegenkommen, den Schneidern eine Zunft zu gewähren, in der im Jahre 1260 ausgestellten Urkunde damit, dass beinahe alle Handwerker seiner Stadt bereits Zünfte hätten. So durften unsere beiden Halbzünfte mit gutem Gewissen im Jahre 1961 die Feier des siebenhundertjährigen Bestehens als Körperschaft des öffentlichen Rechts begehen. Dass die Zunftangehörigen selbst auf die Kenntnis des Datums ihres Zunftbriefes keinen Wert zu legen schienen, beweist die Tatsache, dass im Erneuerungsbrief von 1361 vom Zeitpunkt des Stiftungsbriefes nicht die Rede ist.

 

Wie bereits vermerkt, vereinigen die beiden Schwesterzünfte die verschiedensten Handwerke, die untereinander keine natürliche Verwandtschaft aufweisen. Scherer und Maler, Glaser und Sattler wie auch Sporer finden sich nicht ohne weiteres in ein und derselben Gemeinschaft zusammen. Die Erklärung hierfür liegt unseres Erachtens darin, dass das einzelne Handwerk zu wenig Genossen zählte, um allein die Pflichten einer Zunft auf sich nehmen zu können. Ohne Schulterschluss mit anderen, ebenfalls wenig zahlreichen Handwerken wäre die politische Stosskraft zu wenig bedeutend, wären die finanziellen Mittel wohl zu spärlich gewesen. Dass die Zugehörigkeit zu den verschiedensten Professionen innerhalb der Zunft zu Schwierigkeiten geführt hat, wie aus zahlreichen Urkunden hervorgeht, ist nicht verwunderlich und im übrigen eine weitere Beweissstütze dafür, dass ganz nüchterne politische Überlegungen zum Zusammenschluss geführt haben müssen. Innerhalb der Zunft bildeten die Scherer einerseits, die Maler, Glaser, Sattler und Sporer andererseits eigene Gemeinschaften, aus denen die beiden Halbzünfte „Goldener Stern“ und „Himmel“ hervorgegangen sind. Verschiedene Handwerke sind so zu einer Halbzunft und diese wieder zu einer Zunft zusammengestossen worden: Die beiden Halbzünfte „Himmel“ und „Stern“ werden daher oft „zustammengestossene Zünfte“ genannt, wie dies auch im sogenannten Roten Buche von 1401 geschieht.

 

Ihren alten Sitz mag die Zunft der Scherer und Maler in der Nähe des Fischmarktes besessen haben. Im Jahre 1384 konnte der Kauf des Hinterhauses Freie Strasse Nr. 33 um 41 Gulden bewerkstelligt werden, im Jahre 1394 wurde das Vorderhaus, das Haus „zum Himmel“, dazu erworben. So war die ganze Liegenschaft in der Hand der Zunft vereinigt. Dort befand sich die sehr schön ausgemalte und verzierte Trinkstube der Malerzunft und bildete das Zentrum zünftiger Geselligkeit. Bereits im Jahre 1395 verzichtete die Halbzunft der Scherer auf ihre Rechte an der Liegenschaft „zum Himmel“ und kaufte das Haus „zum Goldenen Stern“ an der Freien Strasse Nr. 71.

 

Die Erklärung der Zunftnamen „Himmel“ und „Goldener Stern“ vermag somit keine Schwierigkeiten zu bieten: Es sind die Namen der Zunfthäuser. Damit stehen die beiden Zünfte in der Reihe der Basler Zünfte nicht etwa allein: Die Schlüssel- und die Bärenzunft (Hausgenossen) nennen sich nach ihren Zunfthäusern, und auch der Zunftname der Bauleute, „Spinnwetternzunft“, leitet sich vom Zunfthause her, das den Namen „Spichwertershaus“ trug.

 

Die Malerzunft blieb Eigentümerin ihres Zunfthauses an der Freienstrasse bis ins Jahr 1877. Bekanntlich hatte die Kantonsverfassung von 1875 die letzten Reste der Teilnahme der Zünfte am Stadtregiment und an der Lösung öffentlicher Aufgaben beseitigt und sie der Aufsicht der Bürgergemeinde der Stadt Basel unterstellt. So wurde der Beisitz eines eigenen Hauses nicht mehr für notwendig erachtet. In öffentlicher Steigerung ging das Zunfthaus zum Preise von 52650 Franken an den Klaviermacher Leitner über und wurde zwei Jahre später abgerissen. Ein im Staatsarchiv aufbewahrtes Aquarell J. J. Schneiders vom Jahre 1879 vermittelt einen herrlichen Blick auf Hof und Hinterhaus des Zunfthauses „zum Himmel“. Bis zum Jahre 1898 hatte sich die Zunft im „Mueshaus“ an der Spalenvorstadt 14 eingemietet, das der Bürgergemeinde der Stadt Basel durch den Ausscheidungsvertrag von 1876 aus dem Stadtvermögen zugeteilt worden war. Erst im Jahre 1945 fand die Zunft wieder eine Zunftstube in der „Basler Kanne“, Steinenvorstadt 32, wo sie auch einige bescheidene Reststücke ihres Besitzes an Mobiliar und Archivalien deponieren konnte. Die Umwandlung der renommierten Gaststätte in ein chinesisches Restaurant im Herbst 1971 beraubte die Zunft ihres Sitzes. Zunftbruder Hansjörg Scholer ist es zu verdanken, dass die Zunft seit Januar 1973 im Restaurant St. Alban-Eck wieder eine Zunftstube besitzt. Die wenigen Kostbarkeiten, die alle Fährnisse überdauert haben, sind im Historischen Museum, die wichtigsten Zunfturkunden im Basler Staatsarchiv hinterlegt.

 

 

III.

 

Die Gliederung in zwei Halbzünfte muss schon früh, vielleicht von Anfang an Tatsache gewesen sein. Bis zur Verfassungsrevision von 1875 bildeten die beiden Teilzünfte eine Gesamtzunft, eine politische Einheit. Jede Halbzunft hat jedoch ihre eigene, individuelle Entwicklung. Wir können zur Illustrierung des Verhältnisses der beiden Halbzünfte zueinander auf zwei Urkunden hinweisen, von denen die eine noch nie namhaft gemacht und besprochen worden ist.

 

Bekannt ist die Urkunde der Erneuerung des Zunftbriefes der Scherer, Maler, Sattler und Sporer vom 6. Mai 1361. Im Basler Jahrbuch 1953 (S. 200 ff.) hat Gustav Steiner diese Zunftbrieferneuerung, die einzige übrigens, die in Basel vorgekommen ist, in ihren geschichtlichen Zusammenhang gestellt. Die Sprache der Urkunde ist deutsch, und als Erneuerer des Zunftbriefes treten lediglich Bürgermeister und Rat der Stadt Basel auf; der Bischof, der als Stadtherr alle Zünfte „gesetzt“ und bestätigt hatte, wirkt bei dieser Erneuerung nicht mehr mit: Seine Teilnahme erschien der bereits weitgehend emanzipierten Stadt als überflüssig. So ist die Urkunde lediglich durch das Stadtsiegel bekräftigt.

 

Nach dem Erdbeben von 1356 müssen verschiedentlich „spänne“, Zwistigkeiten, zwischen den einzelnen auf der Zunft vorhandenen Handwerksgruppen entstanden sein. So war vor allem die Meisterwahl neu zu regeln, nachdem die Aufteilung in zwei Halbzünfte Tatsache geworden war. Um alle diese Schwierigkeiten zu beheben, nahm man den im Erdbeben erfolgten Verlust des Zunftbriefes zum Anlass, um seine Erneuerung zu begehren und gleichzeitig die notwendigen Reformen zu treffen. Obwohl die Einleitung des Briefes auf eine Bestätigung althergebrachter Satzungen schliessen liesse, birgt doch der weitere Inhalt der Urkunde offensichtlich neue Ordnungen.

 

Der Anfang des Briefes ist im üblichen Stile gehalten und weist auf den Grund der Ausstellung des Briefes hin: „Wir Cuenrat von Berenvels ritter burgermeister und rat von Basel tun kunt allen den, die disen brief ansehent oder hörentlesen, wonde die erber lüte die scherer maler satler und sporer ze unser stat dis nachgeschriben ding und gesetzde in ir zunfte von alter gehabt und har bracht hant und si aber den brief, den si dar über mit unser stette ingesigel versigelt hattent, von des ertpidemss und füres wegen verloren hant, da von so habent wir inen die selben gesetzde von ir bette wegen ernüwert und bestetiget mit disem gegenwertigen brief.“

 

Das erste „gesetzde“ bringt bereits ohne weitern Übergang die offenkundig neue Ordnung der Meister- und Ratsherrenbestellung. Die Scherer- und Malerzunft war innerhalb des Zunftregiments eine einzige Zunft und hatte daher einen Zunftmeister und einen Ratsherrn. In diese Ämter hatten sich nunmehr die Angehörigen der beiden Halbzünfte zu teilen: Sitzt einer der Scherer im Rate, so soll einer von den drei andern Handwerkern, Maler, Sattler oder Sporer, Meister der Zunft sein. Damit war ein entscheidender Streitpunkt beigelegt.

 

Auch die Scherer- und Malerzunft hatte der in Basel bei allen öffentlichen Ämtern unverbrüchlich gehaltenen Übung zu folgen, dass in einem einjährigen Turnus jeweilen zwei Persönlichkeiten praktisch lebenslänglich im Amte des Zunftmeisters abwechselten. So haben wir immer einen neuen, als Meister der Gesamtzunft gerade amtierenden Meister und einen alten, gerade stillsitzenden, im folgenden Jahre jedoch wieder zum Zuge kommenden Meister. Dasselbe galt für den Ratsherrn und die Sechser.

 

Als Wahlbehörde, die jedes Jahr die neuen Häupter zu kiesen hatte, fungierten der abtretende Meister und die abtretenden Sechser. Von einer allgemeinen Wahl durch die Zunftgenossen ist keine Rede. Den Kiesern wurde überdies vorgeschrieben, sie „sullent der sechser drie nehmen und welen under den scherern und die andern drie under den andern drien vorgenanten antwerken“. Das Gleichgewicht der Halbzünfte wie der in der Zunft vertretenen Handwerke war somit gewahrt.

 

Die Befugnisse und Pflichten des Meisters und der Sechser waren in knappen Worten umschrieben: Sie haben zu „richten, was die zunft angat und ze tunde hat“, wobei ausdrücklich festgehalten wurde, dass des Meisters Stimme nicht mehr gelte als die der Sechser. Von heute noch aktueller Bedeutung für die Sitzungen unseres Zunftvorstandes ist jedoch der folgende Passus: „Und wenne der meister und die sechse bi einander sint, die zerunge, so si denne tunt, und den kosten, so sie hant, sullent si usser irem seckel zeren und geben und nüt usser der zunft gut.“ Dennoch waren das Meister- und das Sechseramt nicht ganz reine Ehrenämter. Die in die Zunft aufgenommenen neuen Zunftbrüder hatten dem Meister und den Sechsern gewisse Gebühren zu entrichten sowie obendrein „ein vierteil wines des besten so denne zem zapffen veil lit“. Dieser schöne Brauch ist heute in Vergessenheit geraten.

 

Die weiteren Vorschriften des Erneuerungsbriefes beziehen sich u.a. auf die Verwahrung der Zunftlade und des Banners, die Rechenschaftspflicht des abtretenden Meisters und der abtretenden Sechser an die neugewählten Zunftbehörden, das Verbot des gegenseitigen Abdingens von Knechten sowie auf den Verlust des Zunftrechts und die Aufnahme in die Reihen der Zunft. Besonderes Gewicht wurde darauf gelegt, dass der Sohn jedes Zunftbruders zu seines Vaters Recht kommen könne. Zunftrecht und Handwerksrecht gingen gegen eine ermässigte Gebühr von einem Pfund Wachs, von einem Schilling an den Meister, von sechs Pfennigen an den Knecht sowie gegen das bereits erwähnte Quantum Wein an Meister und Sechser vom Vater an den Sohn über.

 

Mit einem Satz wird festgelegt, dass das Zunftbanner dasselbe bleiben solle; davon wird noch die Rede sein.

 

Endlich wurden die in der Stadt tätigen Bader verhalten, auch der Zunft gehorsam zu sein.

 

Mit diesen wenigen Vorschriften schien der damaligen Zeit die Organisation einer Zunft genügend umschrieben. An einer genauen Fixierung der öffentlich-rechtlichen Kompetenzen hatte niemand Interesse, da gerade hier die Dinge eifrig im Flusse gehalten wurden.

 

Nach aussen waren die beiden Halbzünfte wahrscheinlich nur durch Banner und Wappen des „Himmels“ repräsentiert. Auf der auf Holz gemalten Wachtordnung der Basler Zünfte vom Jahre 1415 findet sich für beide Halbzünfte nur das Wappen der Himmelzunft: drei rote Schilder im weissen Felde. Noch im Jahre 1479 musste der Rat, um den Misshelligkeiten der beiden Halbzünfte in der Bannerfrage ein Ende zu bereiten, entscheiden, dass auch weiterhin das Banner mit dem althergebrachten Zeichen „im Feld und in der Stadt“ zu führen sei. Immerhin besitzen wir ein Gerfähnlein der Zunft „zum Goldenen Stern“ aus dem 15. Jahrhundert. Das offizielle Zunftbuch des Rats vom Jahre 1586 zeigt in gemeinsamem Wappenschild kreuzweise angebracht den goldenen Stern im blauen Feld, das Zeichen der Scherer und Bader, und die drei roten Schilde im weissen Feld, das Emblem der Maler und Sattler.

 

Mit der Zeit schien eine weitgehende Trennung der Geschäfte der beiden Halbzünfte unvermeidlich. Davon handelt ein vom 25. Mai 1579 datierter Vertrag zwischen „Himmel“ und „Goldenem Stern“. Die Vertragsurkunde befindet sich im Archiv der Himmelzunft. Der Text der Vereinbarung ist, soviel wir sehen, noch nie veröffentlicht oder behandelt worden.

 

Im Ingress wird darauf hingewiesen, dass sich „zwischen beden Ehren Zünfften zum Goldenen Stern und Himel der Statt Basell, von wegen iren bitzher gehepten alten Preuchen und Ordnungen, allerhandt Missverstendt, Spenn und Uneinigkeit erregt und erhept haben“. Diese Zwistigkeiten sollten nunmehr endgültig behoben werden „in Betrachtung und zur Erhaltung guter Frundschafft Fridt Treuw Liebe und Einigkeit, so sy alls Zunftbrüeder einandern ze erwysen schuldig“.

 

Bezweckt wird, den Kreis der Geschäfte, die jede Halbzunft in eigener Kompetenz erledigen kann, möglichst umfassend zu gestalten. Daher wird zum Ersten normiert, dass jede Zunft die Angelegenheiten, die sie selbst angingen, nach ihrem Gefallen erledigen solle. Dazu gehöre zum Beispiel das Ausfällen von Strafen und das Aufnehmen neuer Zunftbrüder. Es sei von jetzt an nicht mehr erlaubt, „inn derglychen Sachen zesamen ze komen“.

 

Der zweite Paragraph bringt die Auflösung und Trennung des noch vorhandenen gemeinsamen Zunftseckels, den sie „zum Wachs- und Pottgellt und anderer Gfellen halb gehept“.

 

Jeweilen am Sonntag vor Johannis (24. Juni) wurden am Vormittag die neuen Häupter und Ratsherren der Stadt auf dem Petersplatz öffentlich verkündet; am Nachmittag fanden auf den Zünften die Meisterwahlen statt. An diesem Abend pflegten die beiden Zünfte gemeinsam ihren neuen Meister und ihren neuen Ratsherrn zu feiern. Gemäss Artikel 4 des Abkommens sollte dieser Anlass nunmehr getrennt durchgeführt werden, „damit kein Zunfft gegen der andern, sy verzere wenig oder vyll, sich beschweren oder beclagen können“. Hoffen wir, dass die Festfreuden von da an ungetrübter waren!

 

Wie bis anhin sollen die Zunftbrüder gemeinsam jeweilen auf der Zunft, die den neuen Meister stellt, am Schwörtag den Jahreid ablegen. Die Feuer- und Wasserordnungen sind gemeinsam zu ergänzen und abzuändern. Diese Ordnungen wurden auch gemeinsam gehandhabt.

 

Von besonderem Interesse ist der sechste Artikel: Falls ein Zunftbruder, „er seye hoch oder nider Standtz umb was Sachen des were, vor siner ordentlichen Zunfft gestrofft wurde, und er vermeinte ime were uss Nydt oder Hass den uss Verdienst Unrecht beschechen, dass demnah derselbig, doch waferr die Stroff uff 3 Pfund und über die 3 Pfund sich anlauffe, Macht und Gwalt habe, solchen Handel für die andere Zunfft ze appellieren“. Dies bedeutet die Einrichtung einer regelrechten Rechtsmittelinstanz, an die, falls die Busse einen bestimmten Betrag überstieg, rekurriert werden konnte. Der Vorstand der einen Halbzunft konnte so den Vorstand der anderen Halbzunft in seiner Jurisdiktion korrigieren. Um aber leichtfertige Appellationen zu verhindern, wurde bestimmt, dass der Zunftbruder, der „sein Sach vor der Appellation auch verlure, inmassen dass daselbsten woll gesprochen und übel geappelliert wurde“, von seiner Zunft noch einmal bestraft werden konnte. Wie sich dieses System in der Praxis bewährt hat, ist uns leider mangels Urkunden nicht bekannt.

 

Der siebte Paragraph bringt die endliche Beseitigung des Bannerstreites. Es wird immer unter der Fahne derjenigen Zunft ins Feld gezogen, die den neuen Meister stellt. Als Besammlungsort wird – wie bisher – der Kornmarkt festgesetzt, wo der neue Meister mit der Fahne zu warten habe. Musterungen hat jede Zunft, die ja nun ihr eigenes „Fendli“ hat, selbst durchzuführen. „So aber durch unser gnd Herren ein Umbzug oder sonst ein Kilbi oder Kurzwil vergunnt wurde, alsdann sollen von beden Zünfften die Zunfftbrieder mitt einander ziechen und sollen bede Fenlin brucht werden.“

 

Die beiden Schlusspunkte sind ohne wesentliche Bedeutung. Sie betreffen unter anderem das Aufbieten der Zunftbrüder zu den Begräbnissen von Zunfthäuptern, worauf sehr grosses Gewicht gelegt wurde. Mit ihren Siegeln bekräftigten die beiden Meister, der alte und der neue, Jakob Schwyzer zum Goldenen Stern und Wilhelm Thurneysen zum Himmel, das Verkommnis, dessen unverbrüchliche Einhaltung sich beide Zünfte feierlich zugesichert haben.

 

In einem Anhang zur Vereinbarung, die das heute noch herrschende gute Einvernehmen zwischen den beiden Zünften befestigt hat, werden die Bestände der beiden Zunftladen festgestellt. Der Erneuerungsbrief vom Jahr 1361 wird bei der Zunftlade des Goldenen Sterns ausdrücklich vermerkt. Bei der Zunftlade „zum Himmel“ wird ein „Brieff“ erwähnt, „wie sich die vom Sternen vom Himell abkoufft hand“, eine Urkunde, die leider nicht erhalten geblieben ist. Sie lässt auf die stattgehabte Teilung von gemeinsamem Vermögen, wahrscheinlich auf der Verzicht der Scherer auf ihre Rechte am Zunfthause „zum Himmel“, schliessen.

 

Vergegenwärtigt man sich kurz den Inhalt dieses zwischen den beiden Halbzünften abgeschlossenen Verkommnisses, so ist man gewiss erstaunt ob der einfachen und wenig erschütternden Probleme, die hier mit allem Gewicht, das man geben konnte, einer Lösung zugeführt werden. Die Divergenzen, die zwischen „Himmel“ und „Stern“ vorgelegen haben, müssen jedoch sicher echt und als solche empfunden worden sein, sonst hätte sich die urkundliche Festlegung des künftigen Verhältnisses der beiden zusammengestossenen Zünfte erübrigt. Vor allem aus dem grundlegenden ersten Paragraphen, der statuiert, dass jede Zunft ihre eigenen Geschäfte besorgen solle, muss geschlossen werden, dass man sich gegenseitig in möglichst allen Belangen freie Hand lassen wollte. Jede Halbzunft soll künftig ihre eigene Politik betreiben. Als Prinzip wurde dieser Punkt an die Spitze der Vereinbarung gestellt. Konsequenterweise wird durch den folgenden Paragraphen die noch bestehende gemeinsame Zunftkasse aufgelöst. Sogar die gemeinsamen geselligen Anlässe, wie sie alljährlich bei der Meister- und Ratsherrenbestellung stattfanden, wurden aufgehoben: Offenbar bestanden nicht nur zwischen den Häuptern, sondern auch zwischen den gemeinen Zunftbrüdern Rivalitäten, die sich, wie der Text der Urkunde sich ausdrückt, u.a. darin manifestieren konnten, dass die einen behaupteten, die Angehörigen der anderen Zunft hätten mehr verzehrt als sie selbst. Daraus konnten bei der Verteilung der Festkosten Anstände entstehen.

 

Da die Zünfte sich nunmehr ungestört des Genusses des Stadtregiments erfreuten, und da die gemeinsamen Gegner, Bischof, Ritter und Achtburger weggefallen waren, konnten sie ihre eigenen Ambitionen in den Vordergrund stellen, Dass man sich jedoch um einen Ausgleich der Streitigkeiten bemühte und diese mit ehrlichem Willen aus der Welt schaffen wollte, kann nicht bezweifelt werden. Die im letzten Artikel gebrauchten feierlichen Worte und die bekundete feste Absicht, mit diesem Verkommnis „Frundschafft, Liebe und Einigkeit ze pflanzen“, müssen ernst genommen werden.

 

 

IV.

 

Schöner hätte die politische Einheit der beiden Halbzünfte nicht symbolisiert werden können als durch den gemeinsamen Besitz einer Meisterkrone. Diese – sie bestand ursprünglich aus einem Kranze frischer Blumen – zierte den neuerkorenen Zunftmeister. Über die Entstehung des letzten und kostbarsten „Meisterkränzlein“ von „Stern“ und „Himmel“ wird uns folgendes berichtet: „Auf Johanni 1683 haben bede Ehren Zünfft mit gesambter Hand ein silberen, auf Zierd vergulten Krantz machen lassen, mit beder Ehren Zünfften Himmel und Sternen Woben, desgleichen Rahtsherren und Meisteren Woben und Namen, als zum Himmel, H. Rahtsherr Jacob Schlosser, H. Meister Sebastian Wild, zum guldene Sternen H. Rahtsherr Johannes Frey, H. Meister Peter Roschet, und haben bede Ehren Zünfft den zugleich , jede Zunfft mit 40 Pfund, zusammen 80 Pfund bezahlt. Steht also jeder dieser beder Ehren Zünfften Himmel und Sternen zum halben Theil eigentümblich zu, halb an Gewicht thut Loth 49½.“

 

Der Untergang der Meisterkrone führt uns ans Ende der Zunftherrschaft in Basel überhaupt. Gesamteuropäisch gesehen hatten die Zünfte dannzumal schon seit geraumer Zeit ihre politische Rolle ausgespielt. Nur die Schweiz bildete eine Ausnahme. Im England des 18. Jahrhunderts war das Zunftwesen bereits erloschen. In Frankreich versuchte Finanzminister Turgot im Jahre 1776, die Zünfte aufzuheben. Die Verfassung von 1791 setze den französischen Zünften ein plötzliches Ende. In Deutschland bewirkten die Befestigung der Macht der Landesherren und der Untergang der städtischen Selbständigkeiten ein starkes Schwinden der politischen Bedeutung der Zünfte. Ein Reichsgutachten vom 3. März 1672 wandte sich gegen die Existenzberechtigung der Zünfte, und die am 16. August 1731 erlassene Reichszunftordnung, welche die Kompetenzen der Zünfte ganz entscheiden einschränkte, hatte ein langsames Absterben der Zünfte zur Folge. Bis ins Jahr 1798, dem Zeitpunkt der Invasion der französischen Revolutionsarmeen, bewahrte die Stadt Basel ihre alten Einrichtungen, Dann wurde die Verfassung nach französischem Muster umgewandelt und die Macht der Zünfte gebrochen. Da damit die Ehrenstellen in der Zunft nicht mehr lebenslängliche Amtsstellen im Staate bedeuteten, verlangten wie auf den anderen Basler Zünften auch Meister und Vorgesetzte der beiden Halbzünfte „Stern“ und „Himmel“ ihren bei Amtsantritt geleisteten „braven Einschuss in den Zunftseckel“ zurück, weil er, wie Meister Christian von Mechel argumentierte, einbezahlt worden sei unter der Voraussetzung lebenslänglichen Amtbesitzes. Die Wiederherstellung der Zünfte im Jahre 1803, am Ende der Helvetik, geschah mit der entscheidenden Ausnahme, „dass keine politischen Vorrechte noch Regierungsstellen, wie dermalen, Platz haben können, sondern diese Herstellung hauptsächlich administrative, vormundschaftliche und Berufsgegenstände berührt“. Die automatische Verbindung von Zunftämtern mit öffentlichen Stellen war somit entgültig abgeschafft. Damit hatte die Meisterkrone auch ihren Sinn verloren. So traten am Schwörtag im September 1805 die Vorgesetzten der beiden Halbzünfte zusammen. Einhellig war man der Meinung des antragstellenden Christian von Mechel, dass „der beyden Zünfften zuständige silberne Ehrenkrantz, welcher nur bey Erneuerung unserer vormaligen Herren Meisteren unserer Ehren Zünfften gebraucht wurde, anjetzo aber durch die neue Verfassung ausser Activitaet gestellt worden, mithin für nichts anderes mehr anzusehen als ein Todtes Capital, welches man Versilbern und den Erlös davon beyden E. Zünfften zum halben zufliessen lassen sollte“. So geschah es, und die Meisterkrone von „Stern“ und „Himmel“ fand ein unrühmlich Ende im Schmelztiegel.

 

Bis zur umwälzenden Verfassungsrevision vom Jahre 1875, die neben den bisher allein privilegierten und zünftigen Bürgern auch den Niedergelassenen das Stimmrecht in Gemeindeangelegenheiten gemäss der revidierten Bundesverfassung von 1874 geben musste, bildeten „Stern“ und „Himmel“ zusammen eine Wahlzunft, einen „Wahlkreis“ für die Grossratswahlen, Im Jahre 1823 wurde der Mitgliederbestand der Zünfte ausgeglichen. Dem „Stern“ als der den Akademikern am nächsten stehenden Zunft wurden die bisher nicht zünftigen Universitätsangehörigen zugeteilt, aber nur zur Ausübung des Wahlrechts. Zunftpflichten (wie Vormundschaft) lehnten sie ab. Zufolge ihrer zahlenmässigen Überlegenheit konnten sie jederzeit und mit Leichtigkeit die Zünfter vom „Stern“ und vom „Himmel“ überstimmen. Diese letzteren verloren dadurch ihr Grossratsmandat. Ihre Petition wurde durch Bürgermeister Carl Burckhardt mit verletzendem Hochmut beantwortet. Im Jahre 1833 demonstrierten deshalb „Stern“ und „Himmel“ durch einen Wählerstreik: Weder Meister noch Zunftbrüder erschienen zur Wahlhandlung. Jetzt erfolgte eine Verständigung mit der Universität, und nach den Dreissigerwirren wurde durch Gesetz vom 6. April 1836 eine sechzehnte Wahlzunft, die Zunft der Akademischen Bürger, geschaffen. Nach dem Jahre 1875 wurden die Zünfte aus allen öffentlichen Aufgaben entlassen und der Aufsicht der Bürgergemeinde der Stadt Basel unterstellt. Vom Zunftregiment ist nichts mehr übriggeblieben.

 

 

V.

 

Zum Schluss sei noch ein Blick auf die künstlerische Tradition der Himmelzunft geworfen. Seit dem 14. Jahrhundert waren dem „Himmel“ folgende Berufe unterstellt: Maler, Glaser, Glasmaler, Bildschnitzer, Kummetsattler, Reitsattler und Sporer. Im 17. Jahrhundert wurden auch die Kupferstecher himmelzünftig. In jedem dieser Handwerke gab es Künstler.

 

Bereits vor 1290 werden in Basel Maler urkundlich erwähnt, so Ludovicus dictus de megentze pictor. Das 14. Jahrhundert weist bereits eine ganze Reihe von in Basel schaffenden Künstlern auf: z.B. 1347 Johannes Muttenzer, Maler von Basel, der in der Leutkirche zu Bern Bilder malte, und 1373 Menlinus pictor, auch Glasmaler, dem der Rat für ein Glasfenster zu den Augustinern 22 Pfundt zahlte.

 

Für das 15. Jahrhundert sind in Basel mehr als 40 Maler und gegen 20 Glasmaler nachweisbar. Zu Wohlstand gelangten freilich nur wenige. Im Steuerbuch von 1429 figuriert als Reichster der Glasmaler Ludman mit dem ansehnlichen Vermögen von 1000 bis 1500 Gulden. Ihm folgen dann als nächste mit einem Vermögen von 300 bis 500 Gulden die Maler Lawelin, Hans Stocker und Urban Malstein. Die damals sehr bekannten Basler Maler Claus Rapp, Hans Stocker, Hans Gilgenberg, der Hofmaler Bischof Friedrichs zu Rhein, und Hans Balduff stiegen zur Zunftmeisterwürde empor. Hans Stockers Wandbilder der Bruno-Legende in der Kartause und der dankbaren Toten in der St. Jakobs-Kirche sowie der Triumphbogen in der Martinskirche, der Stocker zugeschrieben wird, können noch heute bewundert werden. Balduff hatte sich durch die Ausschmückung des Spalen-Schwibbogens, durch seine Schnitzwerke in der Andreaskapelle, sein Altarbild des hl. Eulogius im Münster, sowie durch seine Malereien an der Münsterorgel und am Eselturm einen grossen Namen gemacht.

 

Am 21. Juni 1434 erkaufte sich der aus Rottweil kommende Konrad Witz auf der Zunft zum Himmel das Zunftrecht und leistete am 11. Januar 1435 den Bürgereid. In besonderem Masse hat sich Konrad Witz um die vor allem aus Angehörigen der Himmelzunft sich zusammensetzende St. Lukas-Bruderschaft zu Augustinern – der hl. Lukas gilt als Schutzpatron der Maler – verdient gemacht. Zusammen mit dem Zunftratsherrn Niclaus Rusch wirkte Konrad Witz mit bei der Erneuerung der Bruderschaft. Der noch erhaltene, pergamentene und mit bunter Malerei verzierte Erneuerungsbrief vom 21. September 1437 führt uns eine durch feste Satzungen geregelte Genossenschaft zur Begehung kirchlicher Handlungen vor Augen.

 

Der weit über die Grenzen der blühenden Humanistenstadt Basel hinaus bekannte Maler Hans Herbst wurde von den Brüdern Ambrosius und Hans Holbein (d.J.) als Meister erkoren. Hans Holbein muss spätestens im Frühling 1515 von Augsburg nach Basel gekommen sein. Bereits 1516 erhielt er den Auftrag, den damals berühmtesten Basler und dessen Ehefrau zu portraitieren. Die Bilder des Basler Bürgermeisters und Wechslers Jakob Meyer zum Hasen und seiner schönen Frau, der Dorothea Kannengiesserin, bilden heute eine besonderes Zierstück der Basler Holbein-Sammlung. Am 25. September 1519 wurde Hans Holbein im „Himmel“ zünftig, im Jahre 1520 erwarb er das Basler Bürgerrecht. Besonders fruchtbar erwies sich die Zusammenarbeit Holbeins mit dem Humanisten Erasmus von Rotterdam, dessen „Lob der Torheit“ Holbein mit 80 Federzeichnungen ausschmückte.

 

Holbein diente seiner Zunft als Stubenmeister, und unter den zum Banner ausgelegten streitbaren Zunftgenossen figuriert des berühmten Künstlers Name zweimal.

 

Als würdiger Schüler Holbeins und Begründer der Blütezeit der Basler Glasmalkunst sei Balthasar Han erwähnt. Han war Ratsherr zum Himmel und übte die Funktionen eines Eherichters und eines Spitalpflegers aus. Als Lehrer Niclaus Manuels d.J. von Bern war er berühmt und anerkannt. Für die Himmelzunft schuf er die prächtige, heute im Historischen Museum deponierte Bannerträgerscheibe.

 

Auch in den folgenden Jahrhunderten wäre manch begabter Künstler zu nennen, der der Himmelzunft angehört hat. Wir beschränken uns jedoch auf die Erwähnung von drei Persönlichkeiten, die alle das Zunftmeisteramt innegehabt haben. Hans Rudolf Werenfels (1629 bis 1673) war Basels begehrter Portraitmaler und schuf zwei Titelblätter im Matrikelbuch der Universität Basel. Niclaus Bernoulli d.J. (1662 bis 1716) portraitierte seinen Bruder, den Mathematiker Jacob Bernoulli – das Bild hängt in der alten Aula im Museum an der Augustinergasse – und malte die Bilder in der Maria-Magdalena-Kapelle im Münster. Der bereits mehrfach erwähnte Christian von Mechel (1737 bis 1817) war seinerzeit ein in ganz Europa anerkannter Kupferstecher, der in Wien und in Berlin, wo er am 4. November 1817 starb, seiner Kunst oblag.

 

 

VI.

 

Die heutige Himmelzunft, die zusammen mit den übrigen E. Zünften und E. Gesellschaften der Stadt Basel als öffentlich-rechtliche Korporation einen Teil der Bürgergemeinde bildet, umfasst Angehörige aller Berufe, wobei jedoch die Maler, deren Handwerk blüht, stark vertreten sind. Zu den ebenfalls gut vertretenen Glasern sind in neuerer Zeit noch die Optiker gekommen. Neben den Sattlern, die infolge des starken Rückganges des Reitens nur ganz spärlich auftreten, gehören unserer Zunft die Tapezierer an. Die Sporer sind völlig verschwunden. Der bisher letzte Zunftmeister aus dem Malerhandwerk war Grossrat Wilhelm Müller, der von 1866 bis 1899 amtierte. Ihm folgte der begüterte „Millionensattler“ vom Spalenberg, Albert Marfort von Speyr, als Meister in den Jahren 1899 bis 1916. Von 1917 bis 1944 hatte der Mathematiker und Direktor der Patria-Lebensversicherungsgesellschaft, Kirchenrat Eduard Meyer-Kläsi, das höchste Amt inne. Bankprokurist Heinrich Jenny-Flubacher (Meister von 1944 bis 1952) veranlasste eine Aufzeichnung der Geschichte der Himmelzunft und war verantwortlich für deren Drucklegung. Paul Koelner verfasste die Einleitung, während C.W. Brenner, von Gustav Steiner unterstützt, ein Verzeichnis aller Zunftmeister und Ratsherren zusammenstellte. An der Siebenhundertjahrfeier der beiden Schwesterzünfte „zum Goldenen Stern“ und „zum Himmel“ am 6. Mai 1961 in der Martinskirche hatte alt Kirchenverwalter Louis Bürgin-Tschudin die Meisterwürde inne. Seine Nachfolger sind von 1962-1995 der 1972 in den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt gewählte Prof. Dr. iur. Kurt Jenny und seit 1995 Dr. pharm. Hanspeter Müller.*

 

Wenn auch die Zunft „zum Himmel“ ihren Charakter als Handwerkerzunft im Laufe der Zeit verloren hat, so sind doch der alte Zunftgeist und die Liebe zur Vaterstadt unverändert lebendig und wach.

 

 

* im August 2000 aktualisiert.